Erneut schreibt Activision Blizzard negative Schlagzeilen. Bereits am 05. August 2020 sah sich das Unternehmen mit dem Vorwurf konfrontiert, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein viel zu geringes Gehalt im Vergleich zum Branchendurchschnitt zu zahlen. Hungerlöhne vor allem bei Spieletestern und Angestellten des Customer-Service-Bereichs sollen an der Tagesordnung gewesen sein. Doch die neuen Vorwürfe machen sprachlos und wütend zugleich.
Laut dem Department of Fair Employment and Housing (DFEH) herrscht bei Activision Blizzard eine Firmenatmosphäre vor, die von ständiger sexueller Belästigung und Diskriminierung geprägt ist. Die unhaltbaren Zustände, denen sich Frauen bei einem der größten Entwickler-Studios ausgesetzt sehen, münden jetzt in eine Klage, die am 20. Juli 2021 vom DFEH eingereicht wurde.
Worum geht es?
In dem 29-seitigen Schriftsatz vermittelt das Amt für faire Beschäftigung und Wohnungsbau in Kalifornien ein erschreckendes Bild von Activision Blizzard. Demnach ermittelte die Behörde bereits seit Jahren, bevor es die Anklageschrift einreichte. In dieser berichtet das DFEH von ständigen sexuellen Übergriffen auf weibliche Mitarbeiter. Von einer „frat boy“-Kultur – zu Deutsch Verbindungsstudenten-Kultur – ist sogar die Rede. Diese besticht durch ihre ultrakonservative Gesinnung, bei der Frauen unterdrückt und als sexuelle Objekte betrachtet werden.
So sollen männliche Mitarbeiter bei Activision Blizzard regelmäßig betrunken zur Arbeit erschienen sein und anstehende Aufgaben an ihre Kolleginnen delegiert haben, während sie selbst sich dem Entertainment beim Zocken von Videogames widmeten. Organisiert in Cube-Crawls wären die männlichen Kollegen zudem von Büro zu Büro gezogen und hätten Frauen einer ständigen sexuellen Belästigung in Form von Kommentaren, Annäherungsversuchen und Übergriffen ausgesetzt. Selbst geschmacklose Vergewaltigungswitze seien laut dem Bericht des DFEH an der Tagesordnung gewesen.
Und wie konnten Frauen bei Activision Blizzard dieser Testosteron-geschwängerten Atmosphäre begegnen? Im Grunde gar nicht! Denn das Entwickler-Studio ist anscheinend von Männern geprägt, die über diese unhaltbare Situation nichts wissen wollten oder diese sogar förderten. Mitarbeiterinnen, die dennoch ihre Hoffnung in die Personalabteilung setzten und eine Besserung der Lage anstrebten, wurden bitter enttäuscht. Nicht nur, dass ihrem Anliegen zum Teil kein Gehör geschenkt wurde, mussten weibliche Angestellte mit Restriktionen in Form von Versetzungen oder dem Abziehen von Projekten rechnen. Im schlimmsten Fall endete die Beschwerde mit einer Entlassung.
Doch damit nicht genug. Neben ständigen Belästigungen am Arbeitsplatz werden weibliche Mitarbeiter in ihrer Tätigkeit für das Unternehmen geringgeschätzt. Niedrigere Löhne, schlechtere Aufstiegschancen und mehr Arbeitsstunden sind nur drei Aspekte, mit denen Activision Blizzard die Diskriminierung von Frauen auf die Spitze treibt.
Und was sagt das Entwickler-Studio zu den Vorwürfen?
Es selbst bezeichnet sich in einem Statement, als Arbeitgeber, bei dem Inklusion gefördert werde und der jegliche Form der sexuellen Gewalt ablehne. Darüber hinaus wurden Maßnahmen getroffen, um etwaiges Fehlverhalten zu unterbinden. Der DFEH habe zudem ein verzerrtes und falsches Bild von der Vergangenheit Blizzards vermittelt, dass dem heutigen Betrieb in keiner Weise gleiche.
Laut Stellungnahme ist das Entwickler-Studio enttäuscht darüber, dass die Behörde im Laufe ihrer Ermittlungen nicht auf Activision Blizzard zugekommen sei und ihnen ihre Probleme und Beobachtungen mitgeteilt habe. Immerhin hätte sich das Unternehmen durch Bereitstellung umfassender Daten und Unterlagen kooperativ gezeigt. Signifikante Änderungen, wie die Schaffung von fairen Löhnen und eine Verbesserung der Arbeitsatmosphäre fänden in der Anklageschrift keine Beachtung. Im Gegenteil sei die Klage durch unverantwortliche Staatsbürokraten angetrieben worden, die die besten Unternehmen des Staates Kalifornien angreifen.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Gamerinnen und Gamer haben eine andere Auffassung
Es ist schon traurig, dass sich Activision Blizzard blind stellt und die Vorwürfe, die keineswegs als Bagatelle aufgefasst werden können, einfach herunterspielt beziehungsweise als falsch charakterisiert.
Das macht nicht nur Fans der World-of-Warcraft-Community weltweit wütend, sondern sogar Angestellte des Unternehmens selbst. Jeff Hamilton, Senior System Designer von WoW, kritisiert die Stellungnahme seines Arbeitgebers deutlich und hätte sich statt eines Angriffs auf die DFEH vielmehr einen „wohlüberlegten Plan, wie man den Missbrauch abstellt“ (Interview mit Jeff Hamilton), gewünscht.
Nach der Veröffentlichung des Berichts seien große Teile des Teams, das an der Weiterentwicklung von WoW beteiligt ist, so schockiert und wütend über die Antwort von Activision, dass eine Arbeit an dem Titel derzeit unmöglich erscheine oder fast zum Erliegen komme.
Ebenso empfinden die Fans des Rollenspiels die Situation, die sich zu einem Sit-in-Streik, organisiert von Fence Macabre, in der Fantasy-Welt Azeroth auf Oribos versammelten. Zahlreiche Gilden aus WoW riefen dazu auf, an dem Protest gegen Diskriminierung und sexuelle Gewalt teilzunehmen und gleichzeitig Solidarität zu den Betroffenen zu zeigen.
Hinahina Gray, eine Stellvertreterin von Fence Macabre, berichtet, dass einige Spielerinnen und Spieler überlegen, sich von WoW und damit von Activision Blizzard abzuwenden. Ein harter Schritt für einen eingefleischten Fan des Rollenspiels. Doch derzeit besitzen viele von ihnen noch Abonnements, die erst ablaufen müssen. Die Zeit bis dahin wollen einige Gamerinnen und Gamer für den Protest nutzen, um dem Entwickler-Studio vielleicht die Augen für ihre Verfehlungen zu öffnen.
Ob die Protestaktion und die Reaktionen von eigenen Mitarbeitern Activision Blizzard dazu veranlassen, die richtigen Vorkehrungen zu treffen, bleibt zweifelhaft. Dennoch sind Streiks und die Abkehr von WoW ein wichtiger Schritt, der den betroffenen Frauen zeigt, dass sie nicht allein sind und vor allem gehört werden.
Wie schätzt Ihr die Situation bei Activision Blizzard ein? Hat sich das Unternehmen durch seine Stellungnahme jetzt endgültig ins Aus geschossen oder werden sich die Proteste der Fans bald wieder auflösen? Teilt uns Eure Meinung auf Facebook mit!